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09JulZeitzeugnis der NS-Zeit
Zeitzeugnis der NS-Zeit: Digitales Zeitzeugengespräch mit der jüdischen Überlebenden Krystyna Budnicka ermöglicht den Schülerinnen eine emotionale Verbindung zur Geschichte
Am 28. Juni 2023 hatten die Klassen der G9, der R10 sowie die Stufe Q2 die Möglichkeit, mit der polnischen Zeitzeugin Krystyna Budnicka (geb. 1932) in einem Online-Meeting mehr über das Leben einer Jüdin während der NS-Zeit zu erfahren.
Die Polin berichtete in dem vom „Projekt Zeitzeugen“ des Bistums Limburg, Pax Christi sowie dem Maximilian-Kolbe-Werk organisierten Zoom-Meeting von ihrem Leben.
Krystyna Budnicka wurde am 8. Mai 1932 in Warschau unter dem Namen Hena Kuczer als achtes Kind in einer streng gläubigen jüdischen Familie geboren. Sie hatte sechs Brüder und eine Schwester. Bei Kriegsausbruch war Hena erst sieben Jahre alt. Zu der Zeit befand sich das Haus der Familie in dem von den deutschen Besatzern errichteten Getto Warschau.
Sie erzählte von der Deportation ihrer Brüder in das Vernichtungslager Treblinka im Juli 1942 und deren dortiger Ermordung sowie ihrem Leben mit ihrer Familie in einem unterirdischen Bunker im Getto seit dem Jahr 1943. Dort überlebten sie auch den vierwöchigen Aufstand im Getto und als der Bunker Monate später entdeckt wurde, versuchten sie über die Abwasserkanäle auf die so genannte „arische Seite“ zu kommen. Die meisten von Henas Angehörigen starben aber nach kurzer Zeit schon vor Hunger und Erschöpfung oder auch durch die Ermordung durch Deutsche. Letztlich ist es nur Hena und ihrer Schwägerin gelungen, aus dem Getto zu fliehen und sich bei einer polnischen Familie zu verstecken. Im Oktober 1944 wurde sie von Nonnen in ein Waisenhaus unter den Namen Krystyna Budnicka aufgenommen und auf diese Weise gerettet. Als der Krieg vorbei war, legte sie ihr Abitur ab und entschloss sich dazu, Pädagogik an der katholischen Universität in Lublin zu studieren und arbeitete später auch als Sonderschullehrerin. Seit 1990 engagiert sie sich in der Vereinigung „Kinder des Holocaust“, um der Nachwelt von ihrer Geschichte zu erzählen und um ihren Zuhörer*innen einen wichtigen Rat mitzugeben, den sie im Meeting mehrmals wiederholte: „Seid nicht gleichgültig.“
Ergänzend zu dem regulären Geschichtsunterricht sollte das Zeitzeugengespräch die Möglichkeit bieten, direkt mit Zeugen der damaligen Geschehnisse in der NS-Zeit zu kommunizieren und den Schüler*innen auf einer emotionaleren und persönlicheren Ebene die Ereignisse der Zeit erfahrbar zu machen als über die reine Faktenvermittlung im Unterricht. Unterstützt von einer Power-Point-Präsentation mit Fotos, Bildern und mehreren zeichnerischen Visualisierungen, beispielsweise der des Bunkers der Familie oder der Abwasserkanäle, konnten die Schüler*innen genau verstehen und mitfühlen, wie die junge Hena leben musste. Doch auch in der anschließenden Fragerunde konnten die Schüler*innen Frau Budnicka persönlichere Fragen stellen, die sich von sonst niemand anderem als einer Zeitzeug*in beantworten lassen. So interessierte die Zuhörer*innen, ob sie dem deutschen Volk nun mit Argwohn gegenübertrete und inwieweit die Erlebnisse ihr weiteres Leben beeinflusst haben. Doch auch ganz praktische Fragen zum monatelangen Überleben in einem unterirdischen Bunker in der Nähe der Abwasserkanäle und bei ständiger Gefahr, entdeckt zu werden, wurden gestellt.
Das, was sonst in Geschichtsbüchern so sachlich und klar zusammengefasst wird, die vielen Schicksale, die in ihnen oft verallgemeinert werden, genau diese ließen sich durch die sehr offene und zugewandte Zeitzeugin noch einmal konkretisieren und näherbringen. Es gab niemanden, der diesem Vortrag nicht gespannt gelauscht hat. Dies wurde in der anschließenden Nachbesprechung sehr deutlich – die Schüler*innen waren sich darin einig, dass Krystyna Budnicka ihnen ihr Verständnis zu den Geschehnissen der damaligen Zeit besonders im Zuge ihrer jüdischen Herkunft nähergebracht hatte.
Wir hoffen, dass noch viele weitere Klassen der St. Angela-Schule die Möglichkeit haben werden, auf diese lebendige und anschauliche Weise mehr über die geschichtlichen Ereignisse zu lernen.
Lea Chivu, G9b